Zipf Raketen Bier
Z!PF oder Die dunkle Seite des Mondes.
FRANZOBEL, Autor
Den MG- und Gewehrschüssen in „hunt“ folgt das Donnergrollen von Raketen im Theaterstück Z!PF oder Die dunkle Seite des Mondes. Kein lokaler Bürgerkrieg mehr hält den Hausruck in Bann, sondern das infernalische Ungetüm des Weltkriegs und des nationalsozialistischen Verbrecherregimes Zipf blendet sich 1943 ins Geschehen ein.
„Regiesseur Georg Schmiedleitner zieht alle theatralischen Register, um Franzobels KZ-Groteske zu einem bewegenden Freiluft-Spektakel zu machen.“
ooe.orf.at, 20.07.2007
Helles Bier und dunkle Kapitel
Julia Urbanek, Wiener Zeitung
Wie träge eine Masse sein kann, weiß man spätestens beim Applaus. Hundertschaften an Schauspielern und Laiendarstellern in einem großen Areal sind kaum noch steuerbar. Und wenn, dann ist es eine Kunst. Die beherrscht Regisseur Georg Schmiedleitner. Hier in schwindelnder Höhe eine wilde Liebesszene, dort spielt die Blasmusik, drüben ein wilder Haufen Nazischergen. Und alles passt zusammen bei ‚Z!PF’.
‚Nach Zipf kommt der Krieg nur zipferlweise. Schade’, klagt der urösterreichische Bierbaron Gerstenberg anfangs noch. Er blickt von seinem hirschgeweihten Zimmer hinunter ins Tal: In den Kohlebrecher, die Hausrucker Stahlbetonoase, in der Franzobels Zeitgeschichte-Stück Premiere feierte. Sogar aus dem Wasserhahn kommt Bier, jammert der Baron, alles dreht sich um Hopfen und Malz. Das wahre Leben findet offenbar draußen im Krieg statt. Das echte harte Leben kommt bald genug nach Redl-Zipf. ‚Oberste Priorität’ hat der Ort, die Biermetropole wird zum KZ, zum Triebwerks-Testzentrum für V2-Raketen. Die Blumenmädchen verschwinden, die Blasmusik verstummt. SSler marschieren ein und bringen die ‚G’streiften’ mit. Sie trennen die Gemeinde in zwei Teile: Wie den Eisverkäufer Emmerich (Franz Froschauer), der zum KZ-Leiter wird. Oder aber die herzensgute Lini (Michaela Schausberger), die Haushälterin des Barons, die unerschrocken den Häftlingen Äpfel und Kartoffeln zusteckt.
Kulturloses Drecksnest
‚Lauter Flaschen’ poltert der Oberkommandeur über die Bevölkerung im Hort des Gerstensaftes. In ein ‚kulturloses Drecksnest’ kommt er, der Kommandant, der ganz sicher nicht der ‚dritte Nazi von links’ ist. Martin Semmelrogge spielt großartig den selbstgerechten Bösewicht mit der schnoddrigen Stimme und der skrupellosen Art. Er bedrängt auch die neue Dorfschönheit, die in Gestalt der Raketentechnikerin Ilse Oberth nach Zipf gekommen ist. Julia Cencig bringt Glamour in die Szenerie am Kohlebrecher – Oberth ist eine toughe Frau, deren einzige Ideologie der Erfolg ist. Und der ist zurzeit nun mal mit den Nazis zu erreichen. In dieser Beziehung trennen sie von dem Bierbaron Welten – die Leidenschaft kennt aber keine Ideologie. Unter Hakenkreuzfahnen fallen sie wild übereinander her.
‚Die Rakete rettet das Reich’, skandiert Oberth noch – der Baron (sehr stark: Alexander Strobele), der sich dem Krieg bis jetzt entzog, wird festgenommen. Ilse kommt bei einer Explosion ums Leben. Das Zipfer Kartenhaus fällt langsam in sich zusammen. Franzobels Sprachspiele sind bestechend bis vorhersehbar, spielen mit Aktualität, Dialekten und Stilmitteln. Fast in turrinischer Tradition stellt er hier politisches Volkstheater mit ausrecherchiertem Fundament auf die Beine.
Eine Nazigroteske
Zipf wird zum Mikrokosmos der Nazigroteske. Und die Wahrheit ist grotesk genug: In Zipf wurden Häuser schwarz gestrichen, Postkarten verbrannt, um den Ort von der Landkarte zu streichen. Franzobels Kunst ist es, diese Geschichte meist kunstvoll zu verpacken. 2005 tat er es hier mit ‚hunt oder der totale Februar’, für das das Theater Hausruck zwei Nestroys bekam.
Die Thematik des Stücks ist frustrierend und traurig – und trotzdem fasziniert die Umsetzung mehr als sie berührt oder aufrüttelt. Als pars pro toto für das Leid erzählt Franzobel die Geschichte des Häftlings Franz, der erfahren muss, dass sein Vater ermordet wurde. Er startet einen Fluchtversuch, der fehlschlägt. Mit einem ‚Zurück aus dem Urlaub’-Schild wird er im KZ vorgeführt und zu Tode gekocht. Mit einer Bilanz von 267 toten Häftlingen schließt 1945 das dunkle Kapitel Zipfs. Und wurde womöglich erst jetzt wieder aufgeschlagen und angesehen. ‚Eine blöde Geschichte’, sinniert Emmerich, der nun wieder Eisverkäufer ist: ‚Ich geh nie mehr hinter einer Fahne her. Nicht einmal hinter der eigenen.’ Mittlerweile ist es stockdunkel über der archaischen Szenerie geworden. Sie ist der eigentliche Star der Produktion: Das Stahlbeton-Skelett in der Grube umgeben von Wald hat etwas Mystisches und Bedrohliches. Und hier funktioniert die Produktion perfekt: Wie die Geschichte selbst ist ‚Z!PF’ mit der Gegend verstrickt. Vom ‚Z!PF’-Bierdeckel im Gasthaus über die vielen (beachtlichen) Laiendarsteller, die Bergknappenkapelle, die lokalen Musiker bis zum unberechenbaren Wetter. Wer all das sehen will, muss schon herkommen.“
„Apokalyptisch, spannend, schaurig: diese Inszenierung lässt keinen kalt.“
Schimek, Vöcklabrucker Rundschau
„Zweieinhalb Stunden Theaterereignis der absoluten Sonderklasse.“
Silvia Nagl, OÖN
Fotos
Franzobel
Z!PF oder Die dunkle Seite des Mondes
Uraufführung
Autor Franzobel
Regie Georg Schmiedleitner
Bühnenbild Stefan Brandtmayr
Kostüme Cornelia Kraske
Musikalische Leitung Rupert Schusterbauer
Produktionsleitung Chris Müller
Licht und Ton Fritz Kronlachner
Dramaturgie Barbara Falter
Regieassistenz Ottilie Klinger, Brigitte Wiesinger
Souffleuse Marianne Pacher
Koordination Laiendarsteller Josef Nagl
Koordination Zeitzeugen Ingeborg Aigner
Wissenschaftliche Beratung Hannes Koch
Koordination Kinder Margit Winkler
Bühnenbau Thomas Huber, Helmut Geissler
Requisite Dominique Hölzl
Kostümassistenz Sarah Lugmayr, Andrea Thaler
Maskenbau Elisabeth Windner
Schneiderei Christine Huemer
Photos reinhardmueller.eu
Photos/Werbung werbe-i-d.at
PR & Medienservice die jungs kommunikation
Adonis Schöpperle Lagerkommandant Martin Semmelrogge
Heinrich Gerstenberg Baron Alexander Strobele
Ilse Oberth technischer Stab Julia Cencig
Emmerich jung und alt Franz Froschauer
Franz Kedziora KZler Hubert Fellner
Lini Löschenkohl Haushälterin Michaela Schausberger
Hans SS-Wachmannschaft Jakob Friedrich
Grete Gerstenbergs Frau Ulrike Leitner
Otto Gerstenbergs Bruder Séamus Hamilton
Ein Arbeiter Anton Pohn
Kässberg Kapo Wolfgang Peer
Paul KZler Herbert Wiesinger
Rudi KZler Johann Schwarzböck
Eine Bäuerin Franziska Doblhammer
Ein Bauer Alois Fellner
Eigruber Gauleiter Josef Nagl
Küchenhilfen Stefanie Aigner, Tanja Jetzinger, Elisabeth Wimmer
Gendarm Hans Pacher
Sängerin Ottilie Klinger
Huren Kattrin Riedlbauer, Astrid Schwarz
Touristin Französin Andrea Schnötzinger
Postbote Anton Kurzenkirchner
Hexen und Teufel
Stefanie Aigner, Tobias Glück, Andrea Goldgruber, Johann Greil, Jakob Jedinger, Tanja Jetzinger, Andreas Keckeis, Regina Luckeneder, Alexander Lughofer, Ilka Marano, Andreas Peer, Simone Rosner, Elisabeth Wimmer
KZ-Chor
Edith Ahammer, Philipp Asamer, Tobias Dausek, Elisabeth Desch, Christine Emrich, Petra Forstner, Walter Fritsch, Herbert Fürtner, Andrea Glanzer, Daniela Glück, Johanna Halder, Annika Herda, Tamara Herda, Monika Hinterleitner, Alexandra Hofer, Anneliese Hummer, Hartmut Kilgus, Katia Kreuzhuber, Alois Kreuzwieser, Simone Mitterbauer, Doris Neuhofer, Hans Pacher, Lisa Parzer, Karl Posch, Heidemarie Schusterbauer, Gerhard Schwarz, Victoria Wechsler, Helmut Weißböck, Mathias Wilflingseder
StatistInnen
Helga Berger, Laurin Elias Bracher, Regina Gallo, Oliver Groß, Felix Halder, Richard Kühberger, Anton Kurzenkirchner, Markus Nobis, Ernst Rinortner, Josef Thon, Maria Waldhör, Friederike Weidinger, Alois Wimmer, Klaus Wögerer
Kinder
Johanna Adlgasser, David Bachmayr, Anna Bachmayr, Sebastian Deisenhammer, Stefanie Glück, Verena Hagner, Elisabeth Halder, Georg Halder, Alexander Hinterleitner, Gregor Obrist, Christoph Stockinger, Stefan Stockinger
Band
musikalische Leitung und Kompositionen Rupert Schusterbauer
Gitarre Johannes Falter, Andreas Sandmeier, Philipp Kolb
Tuba Peter Heftberger
Drums Georg Rabengruber, Michael Hinterleitner
Akkordeon Rupert Schusterbauer
Vocals Anna Willich
Bergknappenkapelle Kohlgrube (unter der Leitung von Stefan Brunnbauer)
Christine Foglar, Julia Czech, Johannes Dichtinger, Jona Hoier, Karin Mayr, Silvia Mussmann, Anna Panzenberger, Nathalie Pelet, Bernhard Reingruber, Johannes Steininger, Michael Wirthig, Andreas Zingerle
Aufführungsrechte: Thomas Sessler Verlag Wien
Eine Pause
Premiere: 19. Juli 2007